Postkarten sind legal (Urteil im Pferdchen-Prozeß)

Urteil im Urheberstreit ums Holbein-Pferdchen: Die zivilrechtliche Klage gegen den Fotografen Matthias Wolpert wies das Freiburger Amtsgerichts zurück, er verletzt mit seinen Postkarten und Kalendern vom Holbein-Pferdchen nicht die Urheberrechte des Bildhauers. Die Kosten des Prozesses müssen nun die Kläger, die Erben des Bildhauers Gürtner und die Verwertungsgesellschaft Bild Kunst tragen. Sie hatten mit Ihrer Klage erreichen wollen, daß der Freiburger Fotograf seine aus den Pferdchen-Fotos gewonnen Einkünfte offenlegt.
Nach Ansicht der Kläger verstößt Wolpert mit seinen Postkarten gegen das Urheberrecht. Der Zivilrichter des Freiburger Amtsgerichtes, der den Fall entschied, sieht es anders; Kunst im öffentlichen Raum dürfe fotografiert und vervielfältigt werde. Die Einschränkung die das Gesetz mache, wenn das Kunstwerk ohne Einwilligung des Künstlers verändert werde greife nicht: Schließlich sei es nicht der Fotograf, der das Pferdchen anmale. Eine ausführliche Urteilsbegründung wird den Streitparteien erst den nächste Tagen vorliegen (wir werden berichten). Ob die Kläger das Urteil hinnehmen oder in Berufung gehen, ist deshalb noch ungewiß. ag

Farbe frei !

Ein Pferd. Seit 46 Jahren steht es auf einer Wiese im Freiburger Süden und ist Kunst. Und diese Kunst hat sich verändert seit unbekannte Zeitgenossen, die das Licht des Tages scheuen, das „Holbein-Pferdchen“ immer wieder neu bemalen. Schön bemalen. Mal tragt es die Farben des Sport-Clubs Freiburg, mal mutiert es zum Zebra; mal protestiert es gegen die Atomversuche Frankreichs, mal zeigt es sich im Badeanzug oder verhüllt á la Christo. Nur eines wollte es nie wieder werden: so betongrau, wie es sein Urheber Werner Gürtner 1936 schuf. Nein, es hat, in immer wieder neuem Look, seinen Siegestrab durch eine staunende internationale Öffentlichkeit angetreten, es wurde bekannt wie pardon ein bunter Hund. Das ließ die Gürtner-Witwe offensichtlich nicht ruhen. Sie klagte plötzlich ein Urheberrecht ein und wollte an der Vermarktung des Tieres via Kalender und Postkarten partizipieren. Brrrrrr, hätte man ihr gerne zurufen wollen, zügeln Sie sich! Denn Kunst auf der grünen Wiese ist doch öffentliche Kunst und so ein Pferd, wie Juristen sagen, und immer auch ein Pferd der Zeitgeschichte. Das darf man vielleicht nicht bemalen, da das Auge des Gesetzes ja wirklich ein bißchen weggeguckt. Aber man darf es jedenfalls ablichten, welch neuen Anstrich es sich auch immer gibt, und der Welt von seiner Wandlungsfähigkeit künden. So sah es nun auch ein verständnisvoller Freiburger Amtsrichter und stieß die Witwe vom hohen Roß. Wohlan: Hü und Farbe frei! Man darf gespannt sein, wie das „Holbein-Pferdchen“ auf das Prozesschen reagiert.

Wir sind der Meinung: Es sollte es den Paragraphenreitern mal richtig zeigen.

Artikel Badische_Zeitung (PDF)